Eva Maria Leuenberger: »dekarnation« (Literaturverlag Droschl, ET: 23. August 2019)
Eva Maria Leuenberger transportiert in »dekarnation« die Naturlyrik in unsere Zeit: die open-mike-Finalistin schreibt in vier Zyklen, die Themen und Motive verbinden, Zeilen, die aufwühlen und unter die Haut gehen. Die Texte vibrieren und pulsieren, die Worte beleben Tal und Moor, Schlucht, Bach und Wald. Wir erleben eine Vermenschlichung der Natur:
»der wind in den bäumen krallt / auf der haut, und nur die nacht / ist sicher / da sind die fenster offen: / atmen die luft, als wäre sie frei«
Mächtig, lebendig und immer in Bewegung zeigt sich die Natur. Klingt hingegen ein letztes Mal ein Laut, ob leise oder schreiend, aus dem Körper des Menschen, ist er bereits dabei, zu verstummen.
Wir hören den sprechenden Toten zu, deren Stimmen lautlos klingen und in die Stille der Natur dringen; wir betrachten Moorleichen – die Frau von Elling und den Tollund-Mann – und sehen ihre Körper nah beieinander in der Zeitlosigkeit liegen; ein Körper im Fluss findet langsam zur eigenen Hand, während Schicht für Schicht die Dekarnation voranschreitet; ein alleine durch das Tal wandernder Körper teilt dann im Fluss schwimmend das Wasser entzwei. Die Körper gehen ein in die Natur und werden von ihr absorbiert.
